Das Erdmännle und die Hebamme
In einem Wald bei Geislingen, nicht weit von Balingen, gab es ehedem viele "Erdmännle" und "Erdweible". Das waren ganz kleine Leute, die taten alle Arbeit für die Menschen, kehrten das Haus, fütterten das Vieh und backten das Brot.
Einmal kam ein solches "Erdmännle" nach Geislingen zu einer Hebamme und bat diese, dass sie doch mit ihm gehen und seiner Frau, die eben niederkommen wollte, helfen möchte. Die Hebamme aber fürchtete sich, weil es Nacht war, und begehrte, dass auch ihr Mann mitgehe. Das Erdmännle hatte nichts dagegen und ging alsbald mit einer Laterne voran und zeigte der Hebamme und ihrem Mann den Weg in den Wald.
Nach einer Weile kamen sie vor eine Moostür, die tat sich auf, und sie traten in einen unterirdischen Gang. Darauf kamen sie zu einer hölzernen Tür und gingen durch diese hindurch. Endlich kamen sie noch an eine dritte Tür, die war aus glänzendem Metall, und anschließend ging es eine Treppe hinunter, tief in die Erde hinein. Dann traten sie in ein prächtiges, großes Zimmer, wo das Erdweible in einem Bett lag und sogleich von der Hebamme entbunden wurde.
Das Erdmännle bedankte sich recht schön und sagte: "Unser Essen und Trinken schmeckt euch doch nicht, deshalb will ich dir etwas anderes mitgeben". Und bei diesen Worten gab es der Hebamme eine ganze Schürze voll schwarzer Kohlen. Die nahm sie zwar, dachte aber, wenn du erst draußen bist, so wirfst du sie wieder fort, denn sie fürchtet sich, das Erdmännle zu beleidigen, sonst hätte sie ihm die Kohlen gleich wieder vor die Füße geschüttet.
Danach nahm das Erdmännle seine Laterne und leuchtete die Hebamme wieder heim. Unterwegs aber langte die Hebamme heimlich in ihre Schürze und warf eine Kohle nach der anderen heraus, und das ging so fort bis dicht vor Geislingen. Da sagte das Erdmännle, das wohl bemerkte hatte, was die Frau tat: "Wie minder ihr zettelt, wie mehr ihr hättet."
Und dann kehrte es um, bedankte sich nochmals und ging in den Wald zurück. Jetzt wollte die Hebamme die übrigen Kohlen, die sie noch hatte, auf die Erde schütten. Aber ihr Mann meinte: "Dem Erdmännle scheint es Ernst zu sein mit seinem Geschenk, deshalb solltest du die Kohlen behalten." Da nahm sie den Rest mit nach Hause.
Als sie daheim aber ihre Schürze auf den Herd schüttete, da waren statt der Kohlen lauter blinkende Goldstücke darin, so dass die Leute mit einem mal sehr reich wurden und sich ein Gut kauften. Die Frau sucht nun auch noch sehr emsig nach den Kohlen, die sie verzettelt hatte, konnte aber keine mehr finden.